BALL

„Ball games are played. And only an athlete who contends with balls earns the title ‚player.‘ We become players in and through bounce. And although bounce, as an idea, does not require or depend on rubber, rubber plays a special role in the history of bounce because its primary material property is elasticity. […] About half of the world’s current supply of rubber is made from extracted tree sap while the other half is syn­thesized from petroleum and coal waste products. The labor of rubber production occurs on planta­tions, in oil fields, in laboratories, and on factory floors. Rubber products are critical for conducting all heavy industry, are wrapped up in our most inti­mate daily practices, and sit at the center of our most spectacular rituals. […] Rubber balls bounce higher, faster, longer, and altogether more dramati­cally than balls made using cork cores, wrapped strips of cloth, or inflated pigs’ bladders. Their bounce is extraordinary, even magical.“

(Carlin Wing: Episodes in the Life of Bounce. Cabinet, Issue 56 / Sports, 2014.)

Ballspiel, Beni Hasan, Ägypten ca 2000 BC. A. D. Touny: Der Sport im Alten Ägypten, 1969. Zeichnung: Rolf Kuhn.

Die ersten Darstellungen von Ballspielen kennen wir aus altägyptischen Totenstätten aus der Zeit um 2000 BC. Ob Kultspiele oder tänzerische Unterhaltungsspiele – die Bälle wurden geworfen, nicht geschlagen, aus pflanzlichem Material geflochten oder mehrteilig aus Lederschalen zusammengesetzt.

Spielbälle im alten Ägypen: Pflanzenfasern geflochten, Lederschalen vernäht. A. D. Touny: Der Sport im Alten Ägypten, 1969. Zeichnung: Rolf Kuhn.

Ab etwa 1500 BC wurde im mittelamerikanischen Raum mit Kautschukbällen gespielt. Wahrscheinlich haben die Olmeken die erste Methode entwickelt, den Saft des Gummibaums zu stabilisieren und so auch den Bounce erfunden. Daraus hat sich der erste geregelte Teamsport entwickelt: Die Riesenflummis wurden mit Hintern und Hüfte geschlagen und so ohne Hände oder Beine in der Luft gehalten.

Ballspiel als ritualiserte Zeremonie, Veracruz, Mexiko, 800 – 1200 AD. Paraphernalia for the Ceremonial Ball Game in Ancient Mexico, Art Bulletin of Victoria 25, 2014.

Naturkautschuk ist empfindlich, unter 3°C brüchig, über 175°C flüssig, UV-Strahlung macht es spröde, in Benzin und Ölen ist es löslich. 1844 patentierte Charles Goodyear sein Verfahren, Kautschuk mit Schwefel und Wärme in dauerelastisches Gummi zu verwandeln. Diese magische Gummisierung bekam den mächtigen Namen Vulkanisation, nach Vulcanus, dem römischen Gott des Feuers. Nach 500 Jahren „Tennis“ mit ausgestopften Lederbällen auf Steinböden in Ballhäusern spielte die Kolonialmacht England ab den 1870er Jahren mit vulkanisierten Vollgummibällen lawn tennis. 1888 patentierte John Boyd Dunlop den Luftreifen für Rennräder, ab 1923 wird der druckgefüllte Tennisball aus zwei Gummi-Halbschalen produziert. Mit der Herstellung von Autoreifen werden Goodyear und Dunlop zu den größten Kautschukproduzenten und ersten multinationalen Großkonzernen. Der Tennisball wird der Spielball des Gummizeitalters.

Gummi ist ein Downcycling-Produkt. Nach der Vulkanisierung gibt es kein zurück. Recyceltes Gummi ist es ein Sekundärrohstoff. Es wird geschrotet oder gemahlen und kann als Füllstoff nur anteilig neuem Gummi beigemischt werden. Meistens wird es verbrannt zur thermischen Verwertung oder unter freiem Himmel abgefackelt wie der ewig brennende Reifenberg bei den Simpsons.

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Gummi ist überall, vor allem auf der Straße: 70% der Latexmilchernte weltweit wird zu Autoreifen verarbeitet. Thailand produziert mit Abstand am meisten Kautschuk, gefolgt von Indonesien, Malaysia, Indien, Vietnam und China, das mit Abstand am meisten verbraucht. Die Anbaufläche entspricht etwa der von Palmöl, mit den gleichen verheerenden Folgen: Zerstörung des Öko-Systems durch Abholzung von Urwald für extensive Bewirtschaftung von Monokulturplantagen.

Während Palmöl es schon auf die rote Liste aller Biosupermarktkund*innen geschafft hat, bleibt Gummi die Nummer 1 in Sachen Elastizität. Es gibt keine Alternative. Synthetische Elastomere erreichen nicht die Materialeigenschaften von Naturkautschuk-Gummi: weniger flexibel und dauerhaft, dazu erdölbasiert, also auch aus Nachhaltigkeits-Perspektive nicht attraktiv. Produkte mit besonders hohen Anforderungen an Elastizität, Reißfestigkeit, Beständigkeit wie Kondome, Schnuller, OP-Handschuhe, Flugzeugreifen und Squashbälle basieren auf Naturkautschuk.

Squash ist tot. Zumindest in Deutschland und seit Conora sowieso. Der Niedergang setzte aber schon nach dem Squash-Center-Boom der 80er und 90er Jahre und dem mysteriösen Verschwinden der Yuppies ein. Relativ einsteigerfreundlich war Squash als Afterwork-Game ohne Vereins-Zwang, einige Jahre zeitgeistig „neu“ und erfolgreich. Dann waren die Center ranzig und die Gelenke kaputt. Die nächste Generation geht zum „trainieren“ in die selben Hallen, die Squash Courts sind jetzt aber mit Laufbändern und Butterfly-Maschinen vollgestellt, die pro qm mehr Umsatz machen.

Tennisball, Fronton-Ball (gelb), Frescobol (blau), Tomate (rot).

Auf dem Nischenmarkt Squash ist die Marke Dunlop Sport immer noch ein Big Player. Der Dunlop Konzern wurde mehrfach zerschlagen und aufgeteilt. Der japanische Reifenhersteller Sumitomo Rubber Industries hält die Lizenzrechte an Dunlop Sports und lässt die Bälle in Taiwan herstellen. Bei Squashbällen gibt es zwar mehr Markendiversität als bei Tennis-, Fußball- oder Basketbällen, doch alle kommen aus Taiwan von einem der drei oder vier aktiven Squashballproduzenten. Die Squashbälle von Dunlop sind der Standard und die offiziellen Spielbälle fast aller Verbände und Turniere. Ihre Autorität stützt die Marke seit jeher auf die historische Pionierleistung des Firmengründers. Einen qualitativen Unterschied zu machen ist auch nicht so einfach, weil ein Ball aussieht wie der andere: zwei schwarze Halbschalen, verklebt. Material: deklariert als Naturkautschuk (die andere Hälfte besteht aus Industrieruß und anderen Zuschlagsstoffen). Durchmesser ca. 40mm, Gewicht ca. 22 Gramm. In die Oberfläche eingeprägt ist ein Farb-Punkt-Code für 4 spieltechnische Entwicklungsstufen von schnell, mehr Bounce (Beginner) bis extra slow, weniger Bounce (Pro): blau, rot, gelb, 2 x gelb. Die Materialzusammensetzung sorgt für die verschiedenen Spieleigenschaften.

Von der International Squash Federation werden technische Anforderungen für Turnierbälle gestellt und auch certificates of approval verliehen ohne aber den Bounce, Grad der Deformation etc. mechanisch-technisch überprüfen zu können, weil die technischen Vorraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Materialinnovation findet im Bereich Squashball nicht statt. Bälle der gleichen Kategorie können sich unterschiedlich verhalten, sind deshalb aber nicht objektiv besser oder schlechter, sondern anders:)

Der Brettballball für HappyRacket ist ein Squashball der Kategorie extra slow, wird auch in Taiwan hergestellt und von Victor Europe vertrieben. Victor ist ein multinationales Unternehmen mit Hauptsitz in Japan. Kerngeschäft ist Sportausrüstung, Schläger, Bälle, Schuhe, Kleidung in den Feldern Badminton und Squash. Produziert wird in China. Nachhaltigkeit heißt für Victor Europe: Produktion in zertifizierten Betrieben, Trikots teilweise aus Recycling-PET und die Verbannung von Plastikflaschen aus dem Büroalltag.

Gummi hat eine brutale Kolonialgeschichte. Der Zwangsarbeit in Südamerika und Afrika fielen unzählige Menschenleben zum Opfer, bevor die Plantagenproduktion nach Südostasien verpflanzt und in ausbeuterischer Lohnarbeit fortgesetzt wurde. Die Kautschukproduktion ist ein verheerender Umweltfaktor. Der Kautschukpreis ist spekulativ an den Ölpreis gebunden, wird künstlich gedrückt und zwingt Gummibauern in prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse. Gummi ist nur zur Hälfte pflanzlichen Ursprungs und besteht zur anderen Hälfte aus Industrieruß, Erdölderivaten und diversen Chemikalien. Gummi ist nicht gut. Gummi ist schlecht. Gummi ist großartig. Gummi ist Bounce. There is NoHappyBall (yet).

Illustration: Sophie Nicklas