PLAY / GAME / SPORT

Was ist Spiel? Die deutsche Sprache macht es sich einfach und sagt, alles ist Spiel. Sowie alles Kunst ist. Spiel und Kunst behaupten sich gegen jede Definition und sind wahrscheinlich gerade deshalb so erfolgreich als Metaphern. Im Englischen wird grundsätzlich freies Spiel (PLAY) und regelgeleitetes Spiel (GAME) unterschieden. Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga würde auch ganz auf Versprachlichung verzichten: „Jedes denkende Wesen kann sich die Realität Spiel, Spielen, sogleich als ein selbständiges, eigenes Etwas vor Augen führen, sogar wenn seine Sprache kein allgemeines Begriffswort dafür besitzen sollte. Das Spiel lässt sich nicht verneinen. Nahezu alles Abstrakte kann man leugnen: Recht, Schönheit, Wahrheit, Güte, Geist, Gott! Den Ernst kann man leugnen, das Spiel nicht.“

Der „Spielphilosoph“ Roger Caillois stellt neben sechs Grundeigenschaten für das Spiel fest: „Es ist in der Tat ein Charakteristikum des Spiels, dass es keinen Reichtum und kein Werk hervorbringt. Dadurch unterscheidet es sich von der Arbeit und von der Kunst.“

Ludwig Wittgenstein schlägt vor, statt Definitionen gegeneinander abzugrenzen, Gemeinsamkeiten zu differenzieren: „Sag nicht: »Es muß ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht ›Spiele‹ « – sondern schau, ob ihnen allen etwas gemeinsam ist […] In den Ballspielen gibt es Gewinnen und Verlieren; aber wenn ein Kind den Ball an die Wand wirft und wieder auffängt, so ist dieser Zug verschwunden. Schau, welche Rolle Geschick und Glück spielen. Und wie verschieden ist Geschick im Schachspiel und Geschick im Tennisspiel.“

Allen Guttmann, A Whole New Ballgame

Wo fängt Sport an? Wann hört Spiel auf? Das Diagramm des US-amerikanischen Sportwissenschaftlers Allen Guttmann bricht die Frage auf die Formel runter: Spiel ist Spiel und Spiel ist frei = PLAY. Geregeltes Spiel = GAME, multipliziert mit dem Faktor Wettbewerb = SPORT. Dieses Schema ist zwar stark vereinfacht, aber tendenziell nicht ganz falsch. Die “großen” Sportarten sind heute alle kompetitiv. Der institutionalisierte Machtanspruch von Fußball, Basketball und Tennis basiert auf einer Infrastruktur von Vereinen, Ligen und Verbänden, Sportplätzen und Stadien, eingerahmt von einer quasi-religiösen Propaganda über siegreiche Held*innen und schmachvolle Niederlagen.

“Brot und Spiele” wurden schon in der Antike politisch instrumentalisiert. Bei Fußballspielen, insbesondere der Nationalmannschaften der Männer, sind auch immer höchste Staatsvertreter*innen im Stadion und wir sehen sie Beifall klatschend auf den Nahaufnahmen der TV-Bilder. Corona hin oder her, bei der verschobenen Fußball-EM war – politisch gewollt – das Stadion in Budapest voll und das Finale in London ein nachgewiesenes Superspreader-Event.

Spiel hat nicht unbedingt etwas mit Sport zu tun, Sport aber immer etwas mit Spiel. Spiel ist „FUN“ und Sport ist „PRO“. FUN kommuniziert Spiel bunt und verspielt. PRO kommuniziert Sport ohne Humor. In der Warenwelt des Sports steht PRO für den Progress von Beginner zu Professional Athlete. PRO ist nur dann (unfreiwillig) FUN, wenn überinszeniert, unverstanden oder nicht ernst genommen.

Illustration: Sophie Nicklas

¹Johan Huizinga: Homo Ludens.
²Roger Caillois: Spiele und Menschen.
³Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen.
⁴Allen Guttmann: A Whole New Ballgame.